Kann man wirklich von einer grünen Welle in den Weinbergen sprechen?

Veröffentlicht am 2020-06-25

Die französische Agentur zur Förderung der ökologischen Landwirtschaft, Agence Bio, zeigt sich jedes Jahr aufs Neue erfreut über die rasanten Fortschritte, die bei der Umstellung auf den Biolandbau erzielt werden.
Der Vormarsch sei bedeutend, eine wahre grüne Flut.
Wir könnten uns darüber freuen, wenn der Weg nicht noch lang, zu lang, ja sogar deutlich zu lang wäre.

Jedes Jahr wird auf die fantastische Steigerung gegenüber dem Vorjahr hingewiesen. Entsprechend nahmen die Bioweingüter zwischen 2017 und 2018 um weitere 20 % zu. Das heißt, sie sind um 890, von etwa 5835 auf 6726 angewachsen, was in der Tat einer Steigerung von 20 % entspricht.
20 % mehr – eine tolle Sache. 890 neue Bioweingüter von 85 000 Weingütern[1]: Das entspricht einer Umstellungsrate von nur 1 %. Bei 890 Umstellungen pro Jahr bräuchte es 82 Jahre, um alle Güter auf den ökologischen Weinbau auszurichten. Diese optimistische Einschätzung setzt voraus, dass das Tempo unverändert anhält, doch bisher gleicht die Entwicklung einer Achterbahn.

Vor einigen Jahren gab es nur ein paar Hundert Bioweingüter.
Wenn ich mich recht entsinne, waren es im Jahr 1996 200 Biowinzer. Heute sind es fast 6 726, was im Schnitt einer jährlichen Umstellungsrate von 283 entspricht. 2014 wurden 170 Weinbaubetriebe umgestellt, während es 2017 467 waren. Mal haben sich die Umstellungen beschleunigt, mal verlangsamt. Hierfür können mehrere Faktoren verantwortlich sein, wie die Gewährung, Erhöhung oder Verringerung von Beihilfen für die Umstellung auf den ökologischen Weinbau oder dessen Fortführung. Die zunehmende Zahl der Umstellungen wird heute durch eine steigende Nachfrage der Verbraucher begünstigt, die gesündere Weine trinken möchten. Auch neue Konsumgewohnheiten, die dafür sorgen, dass wir weniger, aber hochwertigere und damit teurere Produkte trinken, tragen ihren Teil bei.

Das, was die Umstellung bzw. Fortführung des Bioweinbaus aber sicherlich bremsen wird, ist die von Europa geforderte Reduzierung des Einsatzes von Kupfer. Das Verbot von Glyphosat kommt in Europa hingegen nur schleppend voran. Kupfer ist das einzige Produkt, das im ökologischen Landbau für die Bekämpfung von Falschem Mehltau zugelassen ist. Europas Pläne, den Einsatz von Kupfer zu verbieten, wird für einen Großteil der Bioweingüter den sicheren Tod bedeuten.

Doch wie bedeutend ist eigentlich die Bioweinsparte? Laut der Agence Bio gibt es 6 726 Bioweingüter. Laut CNIV beläuft sich die Gesamtzahl der Weingüter auf 85 000, das heißt, die Bioweingüter machen insgesamt 8 % aus. Bei den Hektarflächen geht die Agence Bio davon aus, dass 12 % der Weinberge ökologisch bewirtschaftet werden, was aus unserer Sicht bei den 8 % Bioweingütern kaum wahrscheinlich ist. Sehr wahrscheinlich ist hingegen, dass die Agence Bio bei ihrer Schätzung die Produktion von Tafeltrauben mit einberechnet.

Letztlich ist diese sogenannte Biowelle also alles andere als ein Tsunami. Betrachtet man die Landwirtschaftsbranche in ihrer Gesamtheit (Rebflächen inbegriffen), macht der ökologische Landbau nur 6,5 % der Nutzflächen aus. Trotz dieser ermutigenden Zahlen geht der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln dennoch nicht zurück. Laut des französischen Ministeriums für Landwirtschaft und ökologischen Wandel (Ministère de la transition écologique et de l’agriculture) stieg der Verbrauch 2013 gegenüber dem Jahr 2012 sogar an. „Der Dreijahresdurchschnitt 2014-2016 stieg im Vergleich zum Dreijahresdurchschnitt 2009-2011 sogar um mehr als 12 %“. Ein deutlicher Anstieg, der sich 2017 mit einer vergleichbaren Steigerung von 12,4 % konsolidiert.
Die Regierung ist der Ansicht, dass man dieses unerwartet schlechte Ergebnis relativieren muss. Sie versichert nach dem Wirtschaftsmagazin Les Echos, dass trotz des allgemeinen Anstiegs der Pestizide in Wahrheit immer seltener auf besonders gefährliche Stoffe zurückgegriffen wird: So wurde bei den „krebserzeugenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Stoffen (CMR) der Kategorie 1 (nachgewiesenes krebserzeugendes Potenzial)“ ein Rückgang von -6 % verzeichnet. Gleichzeitig stiegen die „CMR der Kategorie 2 ( vermutetes krebserzeugendes Potenzial)“ mit +6 % drastisch an“.
Wie soll man sich mit einer Zunahme der Pflanzenschutzmittel von mehr als 24,4 % innerhalb von vier Jahren zufriedengeben? Bravo!

Dürften es noch ein paar Pestizide mehr sein?

Pierre GUIGUI

 

[1] Quelle: Le Comité National des Interprofessions des Vins à appellation d’origine et à indication géographique (CNIV), Landesgremium der Berufsverbände für g. U.- und g. g. A.-Weine